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Starker Geschmack

Schon in der Grundschule lernt man: Aromen nimmt vor allem die Nase wahr. Unsere Zunge ist nur für die grobe Geschmackserkennung zuständig: Die Geschmacksrezeptoren unterscheiden dabei zwischen salzig, bitter, süß und sauer.
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckten japanische Forscher schließlich den Geschmack „umami“ – was am besten mit „herzhaft“ übersetzt werden kann. In der Folge begannen Lebensmittelproduzenten Glutamate als Geschmacksverstärker einzusetzen. Ein Milliarden-Geschäft.

Doch erklären diese fünf Geschmäcker schon alles?

Wahrscheinlich nicht: Unsere Zunge scheint doch weit komplexer zu arbeiten, als bisher angenommen. Gut hundert Jahre nach der Entdeckung des „fünften Geschmacks“ gibt es nun gleich zwei Anwärter auf Geschmack Nummer sechs.
Im Jahr 2015 erst wollte das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Rezeptoren für bestimmte Fettsäuren entdeckt haben – und rief die Entdeckung des Geschmackssinns „fettig“ aus. Darüber entbrannte eine Debatte in der Forschung, ab wann ein Geschmackssinn eigentlich als eigener Geschmack gelten kann. Denn Fett sah man bis dato eher als Träger von Aromen an, ohne nennenswerten Eigengeschmack.
Ähnliches galt bisher für die Stärke: Kaum einen Nahrungsbestandteil nehmen wir in solchen Mengen zu uns, wie die langkettigen Zuckermoleküle. Einen eigenen Geschmack billigte man der Stärke aber bislang nicht zu.

Wie verarbeiten wir Stärke?

Ein beliebter Selbstversuch im Biologie-Unterricht: Beißen Sie von einem Brötchen ab und kauen Sie es langsam für mindestens drei Minuten. Danach beginnt sich der Geschmack des Weißbrotes zu verändern. Es schmeckt süß.
Die Erklärung: Stärke besteht aus langen Kohlenhydratketten. In unserem Speichel sind Enzyme enthalten, die diese Kohlenhydratketten in kürzere Kettchen spalten: Die Zucker, vor allem Glukose, die wir als süß wahrnehmen.
Das ist die Erklärung, warum Forscher bisher nicht nach einem eigenen Geschmackssinn für Stärke gesucht haben: Man ist davon ausgegangen, dass die Aufgabe Stärke zu schmecken schon über den Rezeptor für „süß“ mit abgedeckt wurde.

Doch warum entwickeln wir Heißhunger auf etwas ohne Geschmack?

Diese Frage stellten sich Forscher der Oregon State University in den USA. "Jede Kultur besitzt eine reichhaltige Kohlenhydratquelle. Die Vorstellung, dass wir etwas nicht schmecken könnten, was wir in großer Menge essen, macht irgendwie keinen Sinn", sagt dazu Juyun Lim, Mitglied des Forschungsteams.
Sie gaben Probanden Flüssigkeiten zu trinken, in denen verschieden lange Kohlenhydrate gelöst waren: Asiatische Teilnehmer beschrieben den Geschmack als „reisartig“, Europäer hingegen als „brotig“ oder „pasta-artig“.
Dieser Eindruck blieb ebenfalls bestehen, als der Geschmackssinn für „süß“ bei den Teilnehmern künstlich blockiert wurde. Die Probanden schmeckten also immer noch deutlich einen bestimmten Geschmack.

Ist chemische Stärke per se schädlich?

Die Forschungsgruppe aus Oregon möchte dieses Phänomen noch weiter untersuchen: Von einem echten sechsten Geschmack zu sprechen ist dabei noch zu früh. Steckt hinter der Entdeckung aber wirklich der Geschmack „starchy“ (etwa: „stärkehaltig“), hätte das weitreichende Folgen.
Wie bei Umami könnte die Lebensmittelindustrie unseren Geschmack relativ einfach austricksen: Dazu bräuchten sie nur die entsprechenden Moleküle chemisch herzustellen – und könnten künftig in jedem Lebensmittel den Eindruck eines hohen Stärkeanteils erzeugen.
Das muss aber nicht nur negative Folgen haben: Man könnte auch einer Gemüsepfanne oder einem Obstbecher das entsprechende Molekül beimischen – und so den eigenen Heißhunger auf Pizza, Pasta, Pommes und Co. bzw. Stärke austricksen. Manche Ernährungsumstellung könnte das deutlich einfacher machen.
Aber natürlich ist es – nicht nur für Diabetiker – immer besser, von Natur aus gesund und ausgewogen zu Essen. Denn natürliche Ernährung in Maßen ist fast immer gesünder, als so mancher Irrweg der menschlichen Forschung.
Foto: Patrick Tomasso / unsplash.com

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